Sonntag, 11. September 2011

Zauberfeder 9

9.Unsichtbar

Unsichtbar. Ja das war genau das richtige Wort um meine Wenigkeit zu beschreiben. Ich war für meine ganzen Kollegen Unsichtbar. Ich schleppte die Akten von Tisch zu Tisch und von Raum zu Raum, bereitete wie eine gute Fee die Konferenzräume vor, kochte Kaffee für meine Mitmenschen und die Gastpartner dieser Firma. Ich kümmerte mich um alles was im Hintergrund der Firma lief. Aufgaben die kein anderer Beachtung schenkte. Man konnte es auch eine billige Aushilfskraft nennen.
Ob ich so was schon immer machen wollte? Nein ganz sicher nicht. Ich hatte damals als ich hier anfing eigentlich gehofft das ich mal ein eigenes Webdesign erschaffen könnte. Meine Ideen mit einbringen und große Aufträge zu übernehmen. Aber ich wurde nur als Mädchen für alles eingestellt. Keiner der ganz großen wollte sich meine Arbeiten anschauen. Keiner warf auch nur einen Blick darauf. Das alles ging jetzt schon zwei Jahre so. Ich hatte mich an meine Unsichtbarkeit gewöhnt, mich mit ihr arrangiert.
Doch dann geschah es. Es war einer dieser verregneten Tage. Meine Kollegen hatten mir wie immer eine Liste hingelegt was sie zum Mittag essen wollten. Das gehörte auch zu meinem Job. Als gute Fee die Speisen zu beschaffen. Draußen schiffte es wie aus Eimern und ich hatte meinen Schirm nicht dabei. Natürlich konnte ich mir auch keinen von der Firma oder den Kollegen leihen. Es hatte nämlich zu schiffen angefangen als ich gerade auf  dem Rückweg war. Die Jacke hatte ich mir über den Kopf gezogen, hielt sie mit einer Hand zu und in der anderen war eine Tüte mit den Speisen.
Mein Hemd unter der Jacke klebte mir schon richtig an der Haut. Ich mochte dieses Gefühl nicht sonderlich, nein eigentlich hasste ich dieses Gefühl vor allem wenn als Wechselsachen ein paar Jogging Sachen warteten. So unvorsichtig wie ich war, war es auch kein Wunder das ich in jemanden rein lief und kurzer Hand das Gleichgewicht verlor. Der Boden war Hart und unbequem was mich auch fluchen ließ. „Mist verdammt“, zum Glück hatte das Essen nichts weiter abbekommen.
„Entschuldigen sie. Ich habe nicht aufgepasst“, erklang eine angenehm raue Stimme und eine Hand erschien vor meiner Nase. Ich blinzelte zu der Person hoch. Nein. Nicht das ich jetzt was sah denn wie man sich denken kann bin ich auch noch Brillenträger und durch mein Gestell war absolut nichts mehr zu erkennen. „Schon gut. Nass bin ich ja eh schon“, murmelte ich gegen den Regen und den Straßenlärm. Die Hand nahm ich dankbar an und ließ mich wieder auf die Beine ziehen. „Sie haben sich nicht weh getan?“, fragte der Fremde Kerl doch ich schüttelte nur den Kopf. „Nein schon gut. Auf wiedersehen“, damit trat ich an dem Mann vorbei und legte das letzte Stück zurück. Das Essen stellte ich in der kleinen Küche auf den Tisch ab.
Ich selber verschwand nach hinten in die Umkleide für Mitarbeiter. Ich brauchte dringend frische Klamotten und eine trockene Brille wäre auch nicht schlecht. Das nasse Hemd schmiss ich ins Waschbecken neben mir. Ebenso die nasse und klebende Jeans Hose. Jetzt musste ich nur noch Quer durch den Raum zu meinen Spind, vorbei an der Tür. Doch soweit kam ich gar nicht. Von draußen drangen Stimmen zu mir herein und Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Ein Rücken war das erste was ich sah.
„Ziehen sie sich ruhig um. Ist ja auch ein Mistwetter draußen“, ertönte mein Chef von draußen. Na toll. Jetzt stand ich halb nackt hier rum und wurde von dem Kerl der gerade rein gekommen war gegafft. Dieser hatte die Tür hinter sich geschlossen. Prüde konnte man mich nicht nennen. Doch hier in der Firma war alles irgendwie anders. Ich war es gewohnt Unsichtbar zu sein und auch so behandelt zu werden und das schloss schon mal das begaffen nicht mit ein. Eilig huschte ich nach einem kurzen nicken zu meinem Spind.
Viel erkennen konnte ich zwar ohne Brille immer noch nicht, doch erst mal griff ich mir meine Jogginghose und ein T-Shirt.
Von dem Kerl der mit mir im Raum war erklang kein einziges Wort so das ich einen misstrauischen Blick zu ihm rüber warf. Mist wo war nur meine Brille?. Tastend suchte ich die Bank vor mir ab. „Hier“, erklang eine mir doch recht bekannte Stimme und meine Brille schwebte vor meiner Nase. Hastig setzte ich sie mir auf, konnte nun endlich in ein Atemberaubendes Gesicht sehen.
Vielleicht hätte ich die Brille weg lassen solln. Ich fühlte mich geblendet. Ein Ebenmäßiges Gesicht, zwei sanfte braune Augen, braunes Finger langes Haar, eine gerade Nase und ein Kuss Lippenpaar. Ja wirklich diese Lippen luden zum küssen förmlich ein. „Sie sind doch der von eben? Ich hatte sie doch über den Haufen gerannt nicht war?“, fragte mein Gegenüber verwundert. Nun betrachtete ich ihn mir also genauer. „Kann sein. Durch meine Brille hatte ich nicht wirklich was erkannt“, murmelte ich und schloss eilig meinen Spind.
„Wie heißen sie?“, wurde ich auch weiter gefragt. Was wollte dieser Kerl nur von mir? „Kevin Spinner. Tut mir Leid aber ich muss wieder an die Arbeit“, damit schlüpfte ich aus dem Raum raus und machte Kaffee, der wahr nämlich wieder mal alle.
Der restliche Arbeitstag verging eigentlich ereignislos. Ich musste nur noch die Akten in dem Konferenzsaal zusammen wegräumen und dann konnte auch ich gehen. Gerade als ich die Akten auf dem Arm hatte ging die Tür auf. Mein Chef und der Typ aus der Umkleide kamen rein. „Da sind sie ja Spinner. Legen sie die Akten zur Seite und kommen mal her“, sprach mich mein Chef an was mich doch sehr verwunderte. Mein Chef sprach mich eigentlich nie an, das übernahm eher dessen Sekretärin. Aber das auch nur wenn ich mal was angestellt hatte. Nicht das ich Unsinn trieb, nein aber ab und zu passierte doch halt mal was.
Also legte ich gehorsam die Akten zur Seite und trat näher zu den beiden Männern ran. „Spinner. Ich hab mir ihre Arbeiten mal angesehen. Ich muss sagen wirklich nicht schlecht. Sie bekommen ihre Chance. Sie werden mit Mr. Schertga zusammen arbeiten. Dieser erzählt ihnen mehr“, meinte mein Chef und meine Augen wurden mit jedem Wort größer. Ich bekam wirklich meine Chance? Endlich nach zwei Jahren des Unsichtbaren Lebens würde ich endlich weiter kommen?
„Danke Chef“, hauchte ich doch dieser war schon raus. „Auf gute zusammen Arbeit. Sie können mich Tom nennen“, zwinkerte Schertga mir zu und reichte mir die Hand. Ich ergriff sie auch sofort, strahlte förmlich. „Kevin“, das löste ein grinsen bei diesem aus. „Ich weiß. Wir hatten in der Umkleide ja schon das vergnügen“, das ließ mich nun doch erröten. Das hörte sich doch irgendwie zweideutig an. Denn ihr müsst wissen das mein Beziehungsleben ebenfalls seid fast 1 ½ Jahren auf Eis lag. Mein damaliger Freund hatte mich verlassen weil ich zu wenig Zeit hatte. Doch wie man sehen konnte war ich nicht unempfindlich gegenüber dem Reiz von anziehenden Männern. „Wenn du Zeit hast würde ich dich auf nen Drink bei mir Einladen. Dann können wir auch gleich das Projekt besprechen“, schlug mir Tom vor und natürlich stimmte ich zu.
Keine halbe Stunde später stand ich dann auch in dessen recht geräumigen Wohnzimmer und setzte mich auf das mir angebotene Sofa. Tom hatte in der Zeit seinen Laptop geholt und zeigte mir worum es in dem Projekt ging. Ich konzentrierte mich sehr und bemerkte somit nicht das Tom näher an mich ran rutschte. Erst als sich unsere Schultern und Knie berührten sah ich hochrot zu Tom auf.
Dieser wand mir im gleichen Moment das Gesicht zu so das sich unsere Blicke trafen. Er hatte einfach wunderschöne braune Augen. Ich seufzte leicht, schlug mir aber sofort die Hand vor den Mund. Ich hatte jetzt gerade nicht geseufzt oder? Vor allem hingerissen geseufzt? Schande. Mir schoss das Blut förmlich in den Kopf. Tom lachte leise deswegen und legte den Kopf etwas schief.
„Du bist echt niedlich. Hab ich mir schon in der Umkleide gedacht“, grinste Tom verschmitzt und sprach auch direkt weiter „aber du warst ja so schnell weg. Aber jetzt hab ich dich ja wieder hier bei mir“. Das letzte war eher leise und nah an meinem Ohr gehaucht. Das Blut zog seine Kreise jetzt hauptsächlich in meinem Kopf, schoss jedoch abrupt in meinen Lendenbereich als Tom mir eine Hand auf den Oberschenkel legte.
„Dann... dann hast du den Chef...“, stotterte ich förmlich und schimpfte über mich selber weil ich nicht sehr Selbstsicher klang. „zu dem Projekt angestiftet? Ja. Ich habe ihn gebeten sich mal deine Sachen anzusehen. Natürlich hoffte ich das sie gut genug waren um ihn zu überzeugen, doch selbst mich hast du beeindruckt“, zwinkerte Tom und fuhr mir mit einer Hand leicht durchs Haar.
„Danke“, flüsterte ich mit pochenden Herz und sah wie gebannt auf die Kusslippen die sich mir näherten. „Nicht dafür“, grinste Tom amüsiert und schon lagen seine Lippen auf meinen. Erneut konnte ich ein seufzen nicht Unterdrücken. Sie fühlten sich fabelhaft an. Doch schon löste er sich wieder. Hatte ich etwas falsch gemacht? Panik stieg in mir auf, doch er nahm mir nur die Brille von der Nase. Schien ihn wohl zu stören. Dann küssten wir uns erneut. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Tom den Laptop weiter auf den Tisch schob, spürte wie er mich aufs Sofa drückte. Ich hoffte nur das ich die Chance nicht nur bekommen hatte um Tom als Betthäschen zu dienen. Dieser Gedanke schien greifbar da Tom sich wieder löste.
„Alles klar?“, fragte er rau, sah mir tief in die Augen. „Ich habe die Chance aber nicht nur deswegen hier bekommen oder?“, fragte ich etwas unsicher. Leicht schüttelte Tom den Kopf. „Nein. Ich finde dich interessant und möchte dich näher kennenlernen. Aber das hat mit unserem Job nichts zu tun. Das war eher ein netter Bonus“, zwinkerte Tom mir zu so das ich den nächsten Kuss mehr genießen und erwidern konnte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen