Mittwoch, 25. Januar 2012

Zauberfeder 23

23. Heimweh

Dies ist ein beitrag zu der Gruppe °Kurzgeschichten° DEZEMBER-Wettbewerb 2011. Es ist eine etwas traurige Geschichte diesmal

Wie lange war es nun schon her? Ein Jahr? Zwei Jahre? Drei Jahre? Nein, es waren fast fünf Jahre, die ich nun schon weg war. Weg von meinen Freunden, weg aus der Stadt und weg von meinen Verwandten. Und wieso das alles? Meine Eltern mussten ja unbedingt umziehen und mich mitnehmen.
Mein Vater musste ja eine Weiterbildung machen und das musste ja unbedingt in einem anderen Bundesland sein. Auf der anderen Seite von Deutschland. Ich musste für diesen Umzug meine Schule abbrechen, obwohl ich so nah an meinem FOR Abschluss mit Q Vermerk dran war. Ich musste dafür all meine Freunde und meine restliche Verwandschaft zurück lassen.
Meine Mutter und meinen Vater interessierten meine Probleme nicht. Kurz war mein Bruder auch hier hergezogen aber schnell wieder zurück in die Heimat.
Ich zog schon nach einem Jahr bei meinen Eltern aus, machte eine Ausbildung, die mir keine Freude brachte. Lebte völlig in den Tag hinein, ohne wirkliche Freundschaften aufzubauen. Hier in diesem Bundesland, in dieser Stadt war alles so anders als ich es aus meiner Heimat kannte. Die Menschen wirkten arroganter, keiner mochte mich und meine Art. Ich wurde immer stiller.
Mein Herz weinte und blutete. Es wollte zurück.
Mit meinen Eltern hatte ich mich noch nie gut verstanden, doch hier in dieser Stadt wurde es noch viel schlimmer. Mit jedem Tag hasste ich sie mehr und mehr. Hasste sie dafür, dass ich so litt, ja dass ich ein solches Heimweh empfand und dass es sie überhaupt nicht kümmerte. °Hätte dich deine Oma aufgenommen, hättest du ja nicht mitgemusst°, das und weiteres wurde mir immer und immer wieder gesagt. Doch meine Oma konnte mich nicht aufnehmen. Sie durfte niemanden auf so lange Zeit bei sich wohnen lassen.
Meine Eltern, die unbedingt hier her wollten, zogen nach vier Jahren jedoch erneut weg. Zehn Stunden mit dem Zug von hier, wieder an ein anderes Ende von Deutschland. Mich ließen sie hier.
Sie ließen mich nun ganz alleine. Ich war alleine und hatte großes Heimweh nach meinen Freunden und meiner Familie.

Seufzend wanderte mein Blick aus dem nächtlichen Fenster, in der Hand hielt ich einen Brief von dem Prüfungsausschuss meiner Ausbildungsschule. Es war das Ergebnis und ich war durchgefallen. Zum zweiten Mal und eine weitere Wiederholung war nicht möglich. Es hatte in Anatomie gehapert. Diese Ausbildung hat mir, abgesehen von dem ein oder anderen Handarbeitsfach, eh nie Spaß gemacht. Ich habe mich wortwörtlich durch gequält. Und nun? Nun muss ich mir eine neue Ausbildung suchen.
Ich kann nicht mal zu Freunden gehen um mich bei diesen auszuheulen. Sie wohnen alle zu weit weg und ich habe das Geld einfach nicht dafür. Was soll ich also nur machen? Traurig schaue ich runter, auf den von Lampen erhellten Park vor meinem Fenster. Ein paar wenige Leute mit Hund tauchen dort ab und zu mal auf.
Natürlich habe ich mich schon für neue Schulen beworben und es kam sogar ein Anruf für ein Vorstellungsgespräch an einem anderen Berufskolleg nah meiner Heimat. Ich würde also wieder zurückkehren können, doch würde ich dort überhaupt noch hin passen?
Ich hatte mich sehr verändert in meiner Trauer all die Jahre. In meiner Sehnsucht nach meinen Freunden und in der Wut gegenüber meinen Eltern. Ich war zynischer, sarkastischer und gleichgültiger geworden.
Heimweh und Wut konnte einen wirklich kaputt machen und ich war ein kaputter Mensch geworden.

Fast ein halbes Jahr später.
Ich spüre freudige Erregung in mir aufwallen. Mein Blick war aus dem Auto gerichtet, beobachtete die vorbei rauschende Landschaft. Keine halbe Stunde würde es mehr dauern und dann wäre ich da. Die Bestätigung für meine neue Ausbildung kam vor drei Monaten und nun saß ich hier im Bus, der mich in mein neues Heim fahren würde. An meiner Seite lag Shiva, meine Hündin von ca. 8 Monaten. Ich habe sie mir geholt um nicht so alleine zu sein und sie war mir bisher eine treue Begleiterin.
Es waren viele dagegen gewesen mir eine Hündin zu holen. So viele haben mir davon abgeraten und gemeint ich solle es lieber mit einem Hamster probieren. Mein Bruder hat Hamsterbabys bekommen, müsst ihr wissen. Doch keiner von ihnen wusste wie sehr ich mich quälte und das ein Hamster einfach nicht die nötige Ablenkung war. Nicht mal meine Häsin, Sora, hatte mich Ablenken können. Doch Shiva tat es.
Doch nun war ich wieder fast Daheim. Ich wohnte in einem Nachbarort von meinem Bruder und meiner Oma entfernt. Hier würde auch meine Schule sein. Mit 23 Jahren war eine neue Ausbildung zu beginnen sicher nicht das Wahre. Eigentlich schon fast wieder zu alt, aber ich brauchte einfach eine abgeschlossene Berufsausbildung und ich hatte die Hoffnung ,jetzt wo ich wieder da war würde ich es besser schaffen, würde nicht jede Nacht vor Depressionen, Heimweh und Trauer vergehen.

Der Bus hielt, sodass ich mit Shiva aussteigen konnte. Natürlich suchte sie sich sofort einen Baum um ihr Geschäft zu verrichten. Ich wusste genau wo ich hin musste. Meinem Bruder hatte ich es überlassen die Wohnung nach meinen Wünschen auszusuchen und zu Malern, auch die Möbel sollten schon aufgerichtet sein, nur das Einräumen würde ich selber übernehmen.
Ich setzte Fuß vor Fuß, brachte mich immer näher an meine neue Wohnung heran und da war sie auch. Ich legte meinen Kopf etwas in den Nacken. Diesmal bewohnte ich eine Zweiraumwohnung, nicht wieder eine so enge Einraumwohnung. Diese Enge war in den Jahren in welchen ich sie bewohnt hatte, bedrückend gewesen. Sie hatte meine negativen Gefühle immer mehr und mehr geschürt. „Komm Süße. Lass uns rein gehen“, lächelte ich meiner Mischlingshündin zu und betrat das Gebäude, schloss Tür für Tür auf und betrat zum Schluss meine Wohnung. Die Wände strahlten mir in einem Weiß entgegen. Überall standen noch Kartons herum. Shiva, die ich von der Leine los machte, verschwand direkt um die Gegend zu erkunden, schnüffelte überall. Ich folgte ihr da etwas langsamer und besah mir die Räume, mein Bett war schon aufgebaut, genauso wie mein Kleiderschrank und mein Computer. Ich musste meinem Bruder wohl danken.
Lächelnd betrat ich den Balkon und ließ mir die Luft um die Nase wehen. Schon bald würde die nächste Ausbildung anfangen, doch diesmal war ich mir sicher das ich es schaffen konnte.
Diesmal würde ich nicht mit Heimweh und Trauer zu kämpfen haben.
Ich konnte meine Oma, meinen Bruder samt Frau und zwei Kindern, meine Freunde besuchen. Ich konnte sie alle viel schneller und kostengünstiger erreichen als früher. Meine Eltern wussten nicht wo ich wohnte. Sie sollten es auch nicht wissen. Schließlich haben sie mir den ganzen Kummer beschert.
Sie haben mich zu dem gemacht was ich nun war..
Eine Person mit zu geringem Selbstbewusstsein und einer großen Klappe, mit dem Hang mich unbeliebt zu machen, egal was ich sagte. Wirklich. Seid ich dort gelebt hatte konnte ich machen was ich wollte, man mochte mich nicht. Ob es nun an mir, meinem Charakter oder dem Bundesland lag, wusste ich nicht, doch früher hatte ich solche Probleme nie gehabt.
Ein Klingeln an der Tür ließ mich von meinen Gedanken aufschrecken.
Es klingelte nochmal. Ich hatte mich also nicht getäuscht? Es hatte schon so lange außer dem Postboten niemand mehr an meiner Tür geklingelt. Diesmal war es kein Postbote, es war mein Ex-Freund der mit beim Aufbauen meiner Küche helfen wollte.
Ich war ihm so dankbar, denn ihn hatte ich damals nach meinem Umzug verloren gehabt. Die Beziehung war in die Brüche gegangen und wir waren nur noch Freunde geblieben die ab und zu chatteten.
Zusammen machten wir uns daran besagte Schränke aufzubauen, alles an seinen neuen Platz zu rücken während Shiva es sich auf ihrer Decke bequem machte. Ich hatte sie im Wohnzimmer extra noch ausgebreitet bevor ich mich an die Arbeit gemacht hatte.
Es wurde spät als mein Ex-Freund wieder ging. Ich jedoch war glücklich. Ich ignorierte die leisen Zweifel, die sich trotz meiner Heimkehr immer noch in mir ausbreiteten. Sie ließen sich nicht so leicht zurückdrängen. Sie nagten heftig und hartnäckig an mir.
Es würde wohl Zeit benötigen bis ich wieder ich selber war. Bis ich nicht mehr mit den Folgen dieses Umzugs, der Abwesenheit von fünf Jahren zu nagen hatte.
Jetzt würde ganz sicher alles wieder besser werden. Und nie wieder würde ich mich einem solchen Gefühl wie Heimweh auf so lange Zeit aussetzen.
Zufrieden kuschelte ich mich in mein Kissen und schloss die Augen.
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ich hoffe es hat euch gefallen
die nächste wird wieder glücklicher werden :D

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